Kreuz und Trinität, oder: der Wahre Dornbusch

Karl-Heinz Menke




Abstrakt

In der deutschen Theologie wird auch im Kontext von Kreuz und Auferstehung kaum noch von der Sünde geredet. Mit dem Hinweis auf die bedingungslose Vergebungsbereitschaft Gottes erklärt man das Christusereignis als Offenbarung der bedingungslosen Liebe. Inkarnation und Kreuz sind so gesehen nicht notwendig gewesen, um die Sünde zu besiegen, sondern um die Solidarität Gottes mit den Menschen zu offenbaren. Dieser Sicht stellt Menke die These entgegen, dass im Neuen Testament kaum etwas so deutlich bezeugt ist wie das Kreuzesgeschehen „unserer Sünden wegen” (1 Kor 15,3). Menke erklärt die Sünde als die einzige Wirklichkeit, die der Mensch ‘aus nichts’ erschaffen kann; als die Wirklichkeit, die Gott nicht will und die er dennoch nicht verhindern kann, weil er die dem Menschen geschenkte Freiheit nicht revoziert. Was auf den ‘vor-bewussten’ Ebenen der Evolution das Verunglücken der Eigenkausalität der Schöpfung ist, das ist auf der mit Bewusstsein und mit freiem Willen ausgestatteten Ebene des Menschen die Sünde. Das Osterereignis bedeutet, dass mit Jesus Gott selbst dahin gelangt, wo das Gegenteil der trinitarischen Liebe ist, nämlich in die ‘Sheol’. „Abgestiegen zur Hölle” bekennen Christen in ihrem Glaubenbekenntnis. Seitdem gibt es die ‘Sheol’ nicht mehr. Seitdem hat keine Sünde mehr die Macht, den Sünder von Gott zu trennen – es sei denn, er würde willentlich die bis in seine Verlorenheit herabgestiegene Hand des Erlösers von sich weisen. Deshalb unterscheidet Hans Urs von Balthasar zwischen der ‘Sheol’, die Ostern ein für alle Mal besiegt bzw. aufgehoben wurde; und den vielen Höllen der jeweils Einzelnen, die die ihnen zur Versöhnung hingehaltene Hand Christi abweisae, diese aber jederzeit auch ergreifen können.

Słowa kluczowe:

Sheol, Hölle, Trinität, Sünde, Erlösung, Eschatologie

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Opublikowane
2020-03-17



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